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Der Wecker klingelt, ich quäle mich aus dem Bett, stelle mein Müdigkeitslevel fest und sinniere ob irgendwelche Termine diesen Tag flankieren. Es steht nichts an. Jedenfalls nichts, dass mir sofort ins Bewusstsein rückt. Und das ist auch gut so. Tage wie diesen mag ich am liebsten.

Nach dem Nikotin- und Koffein die Lebensgeister in eine aufrechte Position verbracht haben, kann ich das Haus verlassen. Mein Weg führt, wie immer, in Richtung Bahnhof. Dieses alte Backsteingebäude welches vor langer Zeit sein Dasein als Knotenpunkt einer blühenden Planwirtschaft aufgegeben hat und heute mit vier Anschlussgleisen müde Pendler von A nach B dirigiert. Auf dem Bahnsteig empfangen mich meine Mitreisenden. „Kalt ist es heute“ sagt eine der Anwesenden, „kalt und dunkel „ bestätigt die andere. Mit synchronem Nicken stellen wir Einigkeit her und reden nicht mehr bis der Zug kommt.

Nachdem alle ihre Stammplätze eingenommen haben und der Zug anrollt, versinken wir in kollektivem Schweigen. An der nächsten Haltestelle steigen noch ein paar missmutig dreinblickende Gestalten zu. Die Fahrt geht weiter …. Plötzlich, ein Schlag, ein Rumpeln, ein Schnaufen … der Zug bleibt stehen, die Lichter im Abteil gehen aus. „Jetzt kommt endlich mal Leben in die Bude“ rief es hinter mir. „Wohl eher umgekehrt“ ruft ein anderer zurück. Leises Kichern. Wir warten. Wir warten bis die ersten aufstehen und aus dem Fenster spähen, die nächsten Ihre Handys zücken und vergeblich auf eine Internetverbindung hoffen aber ihre Verspätungsmitteilungen schon mal eintippen. Wir warten auf Informationen und darauf ob es weiter geht. Nach 2 Minuten stöhnt jemand laut „Scheisse, ich verpasse meinen Anschlusszug“ Beipflichtend ertönen aus allen Sitzen Satzfetzen die „Termine“, „Stechuhr“, „DB-Sauhaufen“ und „immer dasselbe“ enthalten. Aufgeregtes Gemurmel und routiniertes Kopfnicken halten sich die Waage. Ein Zugbegleiter lässt sich vorsorglich nicht blicken.

Ich ertappe mich dabei, wie ich an mein Bett denke und dass ich für solche Fälle fortan wieder ein Buch mit mir rumschleppen sollte. Es ist November und die erste Schneeflocke quasi schon in Sichtweite.
5 Minuten später eine Durchsage „Achtung, aufgrund einer technischen Störung gab es einen Nothalt, wir bitten um etwas Geduld“ teilt uns der Triebwagenführer mit.
Einen Moment Stille, dann wird aus dem Gemurmel lautes Geschnatter. „Boah, müssen diese Selbstmörder immer den Zug benutzen?“ ereifert sich ein älterer Herr „Die können doch auch vom Turm springen“ Er fuchtelt wütend mit den Armen „Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr.“ Die Leute gucken entsetzt „naja, das dritte Mal von dem ich höre“ gibt er zu. „Vielleicht war es ja auch nur ein Wildschwein“, gibt die Dame neben ihm zu bedenken. Gequältes Aufatmen im Abteil „mit Mehdorn auf den Po falla“ oder „Genieße das Leben in vollen Zügen“ waren jetzt Witze im Umlauf. Galgenhumor um 5.00 Uhr früh.

Einige Fahrgäste sind drastischer „Wofür sponsern wir eigentlich son Haufen Geld, fürs Rumstehen?“ und „Wie nennt man die Zeitform wenn der ÖPNV pünktlich ist?“ „Busquamperfekt“ tönt es zurück. Alle lachen entnervt.
Wohliges Aufstöhnen als sich der Zug nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wirklichkeit 10 Minuten gedauert hat, wieder in Bewegung setzt. Die Diskussion verebbt und es herrscht plötzlich wieder morgendliche Stille. Wir rollen auf Bahnsteig 6 ein und ich muss an den Spruch denken: Die Deutsche Bahn nennt es Fahrplan, ich nenne es unverbindliche Abfahrtsempfehlung mit Gleisvorschlag.